Patentverletzung: So handeln Sie im Ernstfall
Wer eine Erfindung entwickelt und zum Patent angemeldet hat, möchte um jeden Preis verhindern, dass Nachahmer diese ebenfalls nutzen und daraus Gewinn schlagen. Bei nicht identisch nachgebildeten Produkten stellt sich dabei oft die Frage: Liegt eine Patentverletzung vor oder nicht?
In der Regel müssen sich mit dieser Frage Patentanwälte und Gerichte beschäftigen, wenn es nicht zu einer Einigung kommt. In diesem Beitrag erläutern wir Ihnen, worauf es bei einer Patentverletzung ankommt und welche rechtlichen Möglichkeiten Sie haben.
Arten der Patentverletzung
Patentverletzungen lassen sich in drei Haupttypen unterteilen, die in der Praxis von zentraler Bedeutung sind: die unmittelbare Patentverletzung, die mittelbare Patentverletzung und die äquivalente Patentverletzung. Jede dieser Formen unterscheidet sich in Bezug auf die Art der Handlung und den Bezug zum geschützten Patent.
Unmittelbare Patentverletzung
Eine unmittelbare Patentverletzung liegt vor, wenn eine dritte Partei ohne Zustimmung des Patentinhabers ein geschütztes Erzeugnis so wie es in den Ansprüchen konkret beschrieben ist, herstellt, anbietet, in Verkehr bringt, gebraucht oder zu den genannten Zwecken entweder einführt oder besitzt. Dies gilt ebenso für die Verwirklichung eines Verfahrens durch das Durchführen aller Verfahrensschritte so wie in den Ansprüchen beschrieben.
Dabei ist unerheblich, ob die Verletzung absichtlich oder unabsichtlich begangen wurde. Entscheidend ist, dass eine Handlung vorgenommen wird, die den Schutzbereich des Patents unmittelbar berührt. Das heißt konkret: Alle Merkmale eines geschützten Patentanspruchs werden direkt verwirklicht.
Mittelbare Patentverletzung
Die mittelbare Patentverletzung setzt eine indirekte Handlung voraus. Sie liegt vor, wenn eine dritte Partei Mittel oder Vorrichtungen, die wesentliche Elemente der patentgeschützten Erfindung darstellen, an Personen liefert oder anbietet, die dadurch das Patent unmittelbar verletzen könnten.
Ein klassisches Beispiel hierfür ist der Verkauf von Bauteilen, die ausschließlich zur Herstellung eines patentgeschützten Produkts verwendet werden können. Diese Art der Verletzung erfordert, dass der Dritte wusste oder wissen musste, dass diese Mittel zur Patentverletzung verwendet werden.
Äquivalente Patentverletzung
Bei einer äquivalenten Patentverletzung wird das geschützte Erzeugnis nicht direkt nachgebildet, sondern es wird eine Abwandlung genutzt, die dennoch die technische Lehre des Patents gleichwertig umsetzt.
Es geht dabei um Modifikationen, die trotz technischer Unterschiede die gleiche Wirkung erzielen wie das geschützte Patent. Eine äquivalente Verletzung liegt dann vor, wenn die Abwandlung den gleichen technischen Effekt erzielt, für den Fachmann naheliegend ist und als gleichwertig zur geschützten Lösung angesehen werden kann.
Die sogenannten Schneidmesser-Fragen dienen dazu, zu klären, ob eine abgewandelte Ausführungsform eines Produkts als patentverletzend anzusehen ist, weil sie die geschützte technische Lehre äquivalent umsetzt. Sie stammen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und sind von zentraler Bedeutung zur Beurteilung einer äquivalenten Patentverletzung.
Folgende Fragen werden dabei gestellt:
- Gleichwirkung: Erreicht die abgewandelte Ausführungsform die gleiche technische Wirkung wie die patentgeschützte Lösung?
- Auffindbarkeit: War die abgewandelte Ausführungsform für den Fachmann aufgrund seiner Kenntnisse und Überlegungen nahegelegen, sodass er die abweichende Lösung als gleichwirkend erkennen konnte?
- Gleichwertigkeit: Stützt sich der Fachmann bei der Auffindung der abgewandelten Lösung an den Überlegungen des Patentanspruchs, sodass der Fachmann die Abwandlung als gleichwertige Umsetzung der Erfindung ansehen kann?
Diese Fragen wurden vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung Schneidmesser I (BGH, Urteil vom 12. März 2002 – X ZR 168/00) formuliert und präzisiert. Sie sind in der Praxis maßgeblich, um den Schutzbereich eines Patents und die Grenzen der äquivalenten Verletzung zu bestimmen.
Die Unterscheidung und Einordnung der Verletzungshandlung in eine der drei obigen Kategorien ist wichtig, da sie die rechtlichen Ansprüche des Patentinhabers beeinflussen kann. Die jeweilige Art der Verletzung bestimmt, welche Ansprüche geltend gemacht werden können und welche Beweisführung notwendig ist.
Verfahrensarten bei einer Patentverletzung
In der rechtlichen Auseinandersetzung um Patente gibt es zwei wesentliche Verfahrensarten:
Die erste Verfahrensart ist das Verletzungsverfahren. Diese betrifft die Durchsetzung eines Patents gegen mutmaßliche Verletzer. Verletzungsverfahren werden vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit verhandelt, also vor den Landgerichten (LG) und in der Berufung bzw. der Revision vor den Oberlandesgerichten (OLG) bzw. dem Bundesgerichtshof (BGH). Im Verletzungsverfahren geht es darum, ob jemand ein bestehendes Patent unrechtmäßig benutzt hat.
Daneben wird in der Regel vom mutmaßlichen Patentverletzer das sogenannte Bestandsverfahren eingeleitet, welches als Verteidigungsmaßnahme dient. Diese Verfahren betreffen die Frage, ob ein erteiltes Patent gültig ist, also Bestand hat. Sie werden für deutsche Patente insbesondere vor dem Bundespatentgericht (BPatG) in München durchgeführt. Hierunter fallen zum Beispiel Nichtigkeitsklagen, in denen die Nichtigerklärung eines Patents angestrebt wird, weil es beispielsweise nicht die erforderliche Erfindungshöhe besitzt oder nicht neu ist. Das Bundespatentgericht ist in erster Instanz für solche nationalen Nichtigkeitsverfahren zuständig, während der Bundesgerichtshof (BGH) als Berufungsinstanz fungiert.
Eine Besonderheit in Deutschland ist das Trennungsprinzip, nach dem Bestands- und Verletzungsverfahren separat behandelt werden, was bedeutet, dass eine mögliche Ungültigkeit eines Patents in einem separaten Verfahren vor dem Bundespatentgericht geltend gemacht werden muss.
Verfahren zur Patentverletzung vor dem Einheitspatentgericht
Anders gestaltet sich die Lage beim Einheitspatentgericht (Unified Patent Court, UPC). Dieses ist ausschließlich zuständig für Einheitspatente und nationale Patente, sofern deren Inhaber nicht von der sogenannten Opt-out-Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, um die Zuständigkeit des UPC auszuschließen.
Beim Einheitspatentgericht hingegen können Verletzungsfragen und die Rechtsbeständigkeit eines Patents in einem Verfahren gemeinsam verhandelt werden. Dies bietet nicht nur einen effizienteren Rechtsweg, sondern reduziert auch das Risiko widersprüchlicher Entscheidungen. Das Einheitspatentgericht schafft so eine neue Grundlage für die effektive und europaweite Durchsetzung von Patentrechten.
Ein weiterer entscheidender Vorteil des Einheitspatentgerichts liegt in seiner grenzüberschreitenden Wirkung. Patentinhaber können nun eine Klage einreichen, die gleichzeitig für mehrere EU-Mitgliedstaaten bindend ist. Damit entfällt die bisher notwendige separate Klageführung in einzelnen Ländern, wie sie beispielsweise in Deutschland oder anderen europäischen Staaten üblich war. Dies spart nicht nur Zeit und Kosten, sondern ermöglicht auch eine einheitliche Entscheidung über die Gültigkeit oder Verletzung eines Patents, was die Rechtssicherheit für Unternehmen und Erfinder erhöht.
Mehr zum Einheitspatent und dem Einheitspatentgericht erfahren Sie in unserem entsprechenden Artikel.
Aussetzung des Verfahrens bei Patentverletzung
Wenn Zweifel am Rechtsbestand des Patents bestehen, kann die beklagte Partei die Aussetzung des Verfahrens vor dem Verletzungsgericht beantragen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn parallel eine Nichtigkeitsklage eingereicht wurde, die darauf abzielt, das Patent für ungültig zu erklären.
Die Entscheidung über die Aussetzung liegt beim Verletzungsgericht. Eine Aussetzung wird in der Regel nur dann gewährt, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Vernichtung des Patents besteht. Das bedeutet, dass die Chancen hoch sein müssen, dass das Patent im Bestandsverfahren (z.B. vor dem Bundespatentgericht) für nichtig erklärt wird.
Einstweilige Verfügungen: Schnelle Hilfe im Eilrechtsschutz
Einstweilige Verfügungen sind ein wichtiges Instrument des Eilrechtsschutzes im gewerblichen Rechtsschutz, insbesondere bei Patentverletzungen. Sie kommen zum Einsatz, wenn eine schnelle gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, beispielsweise um eine sofortige Unterlassung von rechtswidrigen Handlungen zu erwirken. Eine einstweilige Verfügung ist darauf ausgelegt, Rechtspositionen kurzfristig zu sichern, bevor ein Hauptsacheverfahren abgeschlossen ist. Sie dient vor allem dazu, irreparable Schäden oder Rechtsverluste zu verhindern, die durch die Dauer eines regulären Gerichtsverfahrens entstehen könnten.
Die Beantragung einer einstweiligen Verfügung ist jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft. Der Antragsteller muss sowohl die Dringlichkeit des Falles als auch den geltend gemachten Anspruch glaubhaft machen. Dies erfolgt in der Regel durch Vorlage von Beweismitteln und eidesstattlichen Versicherungen. Dringlichkeit bedeutet, dass die Handlung unverzüglich gestoppt werden muss, da andernfalls der Schaden nicht reparabel ist. Die Gerichte prüfen hierbei sorgfältig, ob die Voraussetzungen für eine schnelle Entscheidung vorliegen, da ein Missbrauch des Verfahrens ausgeschlossen werden soll.
Ein solches Verfahren dauert typischerweise nur mehrere Wochen, was im Vergleich zu regulären Gerichtsprozessen äußerst kurz ist. Entscheidend ist jedoch, dass der Antragsteller schnell handelt, denn eine Verzögerung kann als mangelnde Dringlichkeit ausgelegt werden. Einstweilige Verfügungen stellen somit ein effektives Mittel dar, um kurzfristig Rechte durchzusetzen und Schadensbegrenzung zu betreiben – ein unverzichtbares Werkzeug im modernen Patentrechtsschutz.
Patentverletzung: Diese Kosten fallen an
Die Kosten eines Patentverletzungsverfahrens richten sich nach dem Streitwert, der häufig im Bereich von mehreren hunderttausend bis zu mehreren Millionen Euro liegt. Dieser Streitwert bestimmt die Höhe der Gerichts- und Anwaltskosten, die von der unterlegenen Partei zu tragen sind und sich für eine Instanz und eine Verfahrensart (Verletzungs- oder Bestandsverfahren) je nach Streitwert im mittleren fünfstelligen Bereich bis hin zu sechsstelligen Beträgen bewegen können.
Zusätzlich zu diesen Kosten können weitere Aufwendungen entstehen, wie beispielsweise Gutachterkosten, Kosten für technische Sachverständige oder Kosten im Zusammenhang mit der Durchsetzung eines Urteils (z. B. Vollstreckungskosten). Gerade bei internationalen Streitigkeiten oder Verfahren, die mehrere Instanzen umfassen, können sich die Gesamtkosten erheblich erhöhen. Es ist daher ratsam, frühzeitig eine fundierte Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen und bereits bei der Patentanmeldung auf eine gute Recherche und Vorbereitung zu setzen!
Patentrecherche: Mit einer guten Vorbereitung spätere Streitigkeiten vermeiden
Um ein Patentverletzungsverfahren zu vermeiden, raten wir dazu, bereits vor der Markteinführung eines Produktes oder der Einreichung einer Patentanmeldung präventiv tätig zu werden und eine umfassende Patentrecherche durch einen versierten Patentanwalt durchführen zu lassen. Auch wenn diese bereits mit Kosten verbunden ist, kann so vermieden werden, sich später in einem solchen Verletzungsprozess wiederzufinden.
Um mögliche Nachahmer eigener Technologie zu identifizieren, dient eine dauerhaft durchgeführte Patentüberwachung. Gerne beraten wir Sie zu einer möglichen Durchführung und rechtlichen Schritten gegenüber den Nachahmern.
Fazit: So unterstützt ein Patentanwalt bei
Ein Patentanwalt spielt eine zentrale Rolle bei der Wahrung und Durchsetzung der Rechte eines Patentinhabers oder bei der Verteidigung eines mutmaßlichen Verletzers in Patentverletzungsverfahren. Dabei kombiniert er seine technische Expertise mit juristischem Know-how, um erfolgversprechende Strategien für die Verfahren zu entwickeln.
Der Patentanwalt arbeitet im Verletzungsverfahren eng mit Rechtsanwälten zusammen, um die bestmögliche Vertretung zu gewährleisten. Er analysiert, ob tatsächlich eine Patentverletzung vorliegt, und bearbeitet alle technischen Sachverhalte. Insbesondere bewertet er die Erfolgsaussichten einer Aussetzung des Verletzungsverfahrens, falls Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Patents bestehen.
Im parallelen Bestandsverfahren, wie beispielsweise einer Nichtigkeitsklage oder einem Einspruchsverfahren, übernimmt der Patentanwalt die Vertretung und hilft dabei, ihre Rechte als Patentinhaber oder Einsprechender / Nichtigskeitskläger durchzusetzen. Seine technische Expertise ist insbesondere bei der Vorbereitung und Präsentation der Argumente entscheidend, um komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen.
Damit bietet ein Patentanwalt umfassende Unterstützung bei der Durchsetzung und Verteidigung von Patentrechten und trägt wesentlich dazu bei, den wirtschaftlichen Wert eines Patents zu sichern.