Arbeitnehmererfindung: Wem steht sie zu?

Wer an seinem Arbeitsplatz eine Erfindung entwickelt, befindet sich oft in einem Dilemma: Soll ich die Erfindung meinem Arbeitgeber melden oder selbst verwenden? Und wer hat überhaupt die Rechte an einer Arbeitnehmererfindung? Für solche Fälle gibt es in Deutschland klare gesetzliche Regelungen.

Damit Arbeitnehmer und Arbeitgeber geschützt sind und sich rechtlich auf der sicheren Seite befinden, sieht das Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbnErfG) nicht nur Regelungen zum Umgang mit Erfindungen vor, sondern auch, wie Arbeitnehmer in einem solchen Fall zu behandeln sind. Mehr dazu erfahren Sie in diesem Beitrag.

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Diensterfindung vs. Freie Erfindung

Zunächst ist zwischen Diensterfindungen auf der einen Seite und freien Erfindungen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Dies ist wichtig, denn aus dieser Unterscheidung ergeben sich erhebliche rechtliche Konsequenzen.

Diensterfindung bzw. gebundene Arbeitnehmererfindung

Eine Diensterfindung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer eine Erfindung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit oder mit Bezug auf Erfahrungen oder den Arbeitsbereich seines Arbeitgebers entwickelt.

Erfindungen, die während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und/oder mit betrieblichen Mitteln oder Know-how gemacht werden, gelten in der Regel als Arbeitnehmererfindungen (§ 4 ArbNErfG).

Freie Erfindung durch Arbeitnehmer

Eine freie Erfindung durch Arbeitnehmer entsteht außerhalb des beruflichen Aufgabenbereichs des Arbeitnehmers und ohne Nutzung betrieblicher Ressourcen.

Hierbei hat der Arbeitgeber in der Regel kein Anrecht auf die Erfindung. Der Arbeitnehmer muss jedoch:

  • Den Arbeitgeber über die Entwicklung informieren.
  • Dem Arbeitgeber mindestens ein nichtausschließliches Recht zur Benutzung der Erfindung zu angemessenen Bedingungen anbieten (§ 19 ArbNErfG).

Entscheidend für die Abgrenzung freie Erfindung vs. Diensterfindung ist also, ob die Erfindung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder unabhängig davon entstanden ist.

Was müssen Arbeitnehmer bei einer Erfindung beachten?

Arbeitnehmer sollten bei einer Erfindung auf mehrere wichtige Punkte achten, um ihre Rechte und Pflichten zu wahren:

  1. Meldungspflicht: Arbeitnehmererfinder sind nach dem Gesetz verpflichtet, eine Erfindung unverzüglich und schriftlich dem Arbeitgeber zu melden, wenn sie im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit entstanden ist. Die Meldung ist auch der erste Schritt, um den Anspruch auf eine Erfindervergütung zu sichern (§ 5 ArbNErfG).
  2. Geheimhaltung: Bis zur Klärung der Rechte an der Erfindung sollten Arbeitnehmer die Erfindung auf keinen Fall öffentlich machen oder ohne Zustimmung des Arbeitgebers verwerten. Dies gilt besonders für Patente, da eine vorzeitige Veröffentlichung den Patentschutz gefährden kann.
  3. Unterscheidung zwischen gebundener Arbeitnehmererfindung und freier Erfindung: Arbeitnehmer sollten prüfen, ob ihre Erfindung in direktem Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit steht (gebundene Arbeitnehmererfindung) oder ob sie außerhalb des Arbeitsverhältnisses und ohne betriebliches Know-how entwickelt wurde (freie Erfindung). Freie Erfindungen müssen zwar gemeldet werden, aber der Arbeitgeber hat kein Anrecht auf diese.
  4. Vergütungsanspruch: Wenn der Arbeitgeber die Erfindung in Anspruch nimmt, steht dem Arbeitnehmererfinder eine angemessene Vergütung zu. Diese richtet sich nach dem wirtschaftlichen Nutzen der Erfindung und dem individuellen Beitrag des Arbeitnehmers zur Entwicklung. Oftmals gibt es in Betrieben bereits etablierte Vergütungsmodelle für Arbeitnehmererfinder.
  5. Dokumentation: Es ist ratsam, den Entwicklungsprozess der Erfindung genau zu dokumentieren, um im Fall von Streitigkeiten über die Erfinderrechte oder die Vergütung klare Nachweise zu haben.
  6. Rechtliche Beratung: Oftmals kann es sinnvoll sein, einen erfahrenen Patentanwalt hinzuzuziehen, um sicherzustellen, dass eine angemessene Vergütung gewährleistet wird und die rechtlichen Regelungen eingehalten werden. Gerne beraten wir Sie in einem unverbindlichen Erstgespräch.

Durch Beachtung dieser Punkte können Arbeitnehmer sicherstellen, dass ihre Rechte an einer Erfindung gewahrt und sie entsprechend vergütet werden.

Arbeitnehmererfindung: Wann liegt eine Inanspruchnahme vor?

Eine Inanspruchnahme der Erfindung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeitnehmererfindung dem Arbeitgeber meldet und dieser die Erfindung für sich beansprucht. Nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbNErfG) ist der Arbeitnehmer verpflichtet, jede Erfindung, die er im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit macht, dem Arbeitgeber unverzüglich und in Textform mitzuteilen. Diese Meldung stellt den ersten Schritt zur Überlassung dar.

Der Arbeitgeber hat dann die Möglichkeit, die Erfindung aktiv in Anspruch zu nehmen, indem er dies dem Arbeitnehmer ebenfalls in Textform mitteilt. Durch diese Inanspruchnahme geht die Erfindung auf den Arbeitgeber über, der die vollen Verwertungsrechte erhält.

Wenn der Arbeitgeber die Erfindung innerhalb von 4 Monaten ab der Meldung nicht ausdrücklich freigibt, wird die Erfindung kraft Gesetzes als vom Arbeitgeber in Anspruch genommen betrachtet - das Recht an der Erfindung geht also automatisch auf den Arbeitgeber über. Diese Annahme, dass der Arbeitgeber die Rechte an der Erfindung beansprucht, ist die sogenannte Inanspruchnahmefiktion. Der Arbeitgeber muss demnach die Erfindung ausdrücklich freigeben, damit der Arbeitnehmer diese selbst nutzen kann.

Eine Inanspruchnahme erfolgt also, wenn:

  • Der Arbeitnehmer die Erfindung in Textform meldet und
  • Der Arbeitgeber die Erfindung innerhalb von 4 Monaten in Textform für sich beansprucht oder
  • Der Arbeitgeber die Erfindung nicht ausdrücklich freigibt (Inanspruchnahmefiktion)

Gut zu wissen: Diese Regelung greift erst seit dem 1. Oktober 2009. Vorher galt mit der sogenannten Freigabefiktion grundsätzlich genau das Gegenteil: Erklärte der Arbeitgeber nicht innerhalb von 4 Monaten die Inanspruchnahme, wurde die Erfindung automatisch für den Arbeitnehmer frei.

Wann erhalten Arbeitnehmer und Erfinder eine Vergütung?

Die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen basiert auf dem wirtschaftlichen Wert der Erfindung. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung, wenn der Arbeitgeber die Erfindung in Anspruch nimmt und verwertet.

Die Vergütung bemisst sich in der Regel an zwei wesentlichen Faktoren:

  1. Wirtschaftlicher Nutzen der Erfindung für den Arbeitgeber, also an den erzielten Gewinnen durch die Verwertung (z.B. durch Patente, Lizenzen oder den Einsatz der Erfindung im eigenen Betrieb).
  2. Anteil des Arbeitnehmers: Dieser richtet sich nach dem Beitrag des Arbeitnehmers zur Erfindung, seinem Verantwortungsbereich, seiner erfinderischen Leistung sowie dem Grad der Unterstützung durch den Arbeitgeber (z.B. durch Know-how oder Stellung einer konkreten Aufgabe).

Wie hoch fällt die Vergütung bei Arbeitnehmererfindungen aus?

Zur Ermittlung der Vergütung wird in der Regel die sogenannte Lizenzanalogie herangezogen, bei der geprüft wird, welche Lizenzgebühren der Arbeitgeber einem Dritten für die Nutzung der Erfindung zahlen würde. Außerdem spielen Branchenstandards und betriebliche Vereinbarungen eine Rolle.

Die konkrete Berechnung erfolgt häufig anhand der Vergütungsrichtlinien, die vom Deutschen Patent- und Markenamt bereitgestellt werden. Bei Streitigkeiten über die Höhe der Vergütung kann eine Schiedsstelle eingeschaltet werden.

Faustregel
Bei mehreren Millionen Umsatz mit der Erfindung ist mit mehreren tausend oder wenigen zehntausend Euro Vergütung zu rechnen. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Faustregel nur eine grobe Schätzung darstellt. Die tatsächliche Vergütung kann je nach individuellen Umständen erheblich variieren. Für eine verbindliche Auskunft wenden Sie sich bitte direkt an uns.

Gerichtsurteile zur Vergütung einer Arbeitnehmererfindung

Im Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 3. März 2016 (Az.: 6 U 29/15) ging es um die Vergütung eines freien Mitarbeiters, der eine Erfindung während seiner Tätigkeit für ein Unternehmen gemacht hatte. Das Gericht entschied, dass einem freien Mitarbeiter für außergewöhnliche Leistungen, die über den vertraglichen Rahmen der Zusammenarbeit hinausgehen, auch ohne eine ausdrückliche vertragliche Regelung in der Regel ein Vergütungsanspruch zusteht.

Der freie Mitarbeiter konnte daher Anspruch auf eine angemessene Vergütung geltend machen. Die Höhe der Vergütung war dabei abhängig vom Umfang der Nutzung seiner Erfindung, und der Mitarbeiter konnte Auskunft über die Benutzungshandlungen verlangen.

In einem anderen Urteil vom 28.06.1962 (sogenannter Cromegal-Fall) stellte der Bundesgerichtshof (BGH) fest, dass die Vergütung fällig wird, sobald der Arbeitgeber die wirtschaftliche Nutzung der Erfindung beginnt. Diese Nutzung markiert den Moment, in dem der wirtschaftliche Vorteil eintritt, und nicht nur der Zeitpunkt der Anmeldung des Patents.

Bei Verwertung der Erfindung war ein Vergütungsanspruch in Höhe von 4.062,50 Euro fällig, basierend auf einem Umsatz von 1.250.000 Euro mit einem Lizenzsatz von 2,75%. Heute würde dieser Satz vermutlich höher ausfallen.

Fazit

Das Arbeitnehmererfinderrecht ist komplex und erfordert sorgfältige Beachtung sowohl von Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern. Um zu gewährleisten, dass eine angemessene Vergütung erfolgt und die Rechte des Arbeitgebers wie Arbeitnehmers gewahrt werden, kann die Unterstützung eines erfahrenen Patentanwalts sinnvoll sein. Kontaktieren Sie uns gerne jederzeit für ein Erstgespräch.